Balkanreise – Tag 8

Liebes Albanien. Heute hast du mich an der Nase herumgeführt. Eigentlich wollte ich gleich am Morgen nach Shkoda oder besser gesagt daran vorbei fahren und dann auf einer Offroadstrecke weiter in ein Bergdorf namens Theth um dort einen ruhigen Nachmittag zu verbringen. Doch wie schon mal geschrieben, kommt auf Offroadreisen manches andere als man denkt.

Aus irgendeinem Grund bin ich vor Shkoda zu bald rechts abgebogen, an landschaftlich wunderschönen Gewässern vorbeigefahren ohne jemals einen Blick auf das Navi zu werfen und somit meinen Fehler zu bemerken. Nach Koman ging es durch einen sehr abenteuerlich in den Berg gegrabenen Tunnel und plötzlich stand ich mit meinem Motorrad vor einer etwas zweifelhaft aussehenden Fähre und folgte dem Winken eines Mannes der mir unmissverständlich deutete nicht in der Gegend herum zu schauen, sondern mit meinem Motorrad an Bord zu fahren. Vielleicht war ich auch etwas desorientiert, weil keine 10 Meter neben mir eine Gruppe von ca 30 Männern eine Meinungsverschiedenheit regelten wie das offensichtlich echte Männer hier so machen. Mit den Fäusten. An Bord kam ich mit einem sehr freundlichen Pärchen aus Wien ins Gespräch, die mir erklärten ich habe Glück gehabt, denn die Fähre fährt jeden Tag nur ein Mal und die Fahrt wird so gute zwei Stunden dauern und uns durch sagenhaft schöne Bergwelt führen. Auch die Straße die mich wieder zurück nach Shkoda bringen sollte, soll laut deren Reiseführer ein echter Geheimtipp sein. Die Landschaft war herrlich und ich genoss auch mal das Gefühl gefahren zu werden und nicht immer selbst zu fahren. Bis wir endlich anlegten vergingen aber über drei Stunden und so zögerte ich nicht lange und machte mich auf den Rückweg nach Shkoda. Dieser war zwar recht schön, hat mich aber nochmal 3 Stunden gekostet.

In Shkoda angekommen war dann Theth auf einem Wegweiser zu lesen wodurch ich davon ausging, dass der Weg wohl doch nicht so heftig sein wird und ich die 70 km laut Schild wohl mit links in drei Stunden schaffen werde. Bei dieser Annahme hab ich mich jedoch schon wieder getäuscht. Der Weg ist nahezu ununterbrochen echt heftig und mit einer Reisseenduro gerade noch zu befahren. Also hab ich mich bei Einbruch der Dämmerung, die hier wirklich nur sehr kurz dauert, einen kurzen Blick aufs Navi geworfen um abzuschätzen ob Theth für mich heute noch erreichbar ist und dabei einen da 20 cm großen Stein übersehen, der hinter einem kleinen Hügel wie aus dem Nichts direkt vor meinem Vorderrad aufgetaucht ist. Im Grunde muss ich ja noch froh sein, das mein Motorrad mit einem Koffer gerade noch auf dem Weg hängen geblieben ist und nicht vollständig über den Abhang voller Schotter rutschte. Dass ich da nicht mehr alleine rauskomme, war mir schnell klar. Aber was hilft das Fluchen, eine Lösung muss her und so hab ich das Motorrad wenigstens mal mit meinen Spanngurten an einem gegenüberliegendem Strauch gesichert um ein weiteres abrutschen zu verhindern. Kaum damit fertig tauchte ein junger Albaner auf, der außer „hello“ zwar kein Wort englisch konnte, mir aber half das Motorrad im Handumdrehen wieder auf den Weg und die Räder zu bringen. Wenn es fleischgeworde Engel wirklich gibt, dann war das für mich einer. Auch wenn kein ernsthafter Schäden am Motorrad aufgetreten ist, hat die Aktion doch ein paar Minuten gedauert und mir war klar, dass ich mein Ziel heute nicht mehr erreiche und ich den nächstbesten Schlafplatz nehmen muss. Keine 200 Meter später war dieser auch schon gefunden und direkt neben einem glasklaren und erfrischend kaltem Gebirgsbach gelegen.

Liebes Albanien, du machst es mir nicht gerade einfach. Und trotzdem habe ich dich ins Herz geschlossen.